NACHTRAGS- UND VERTRAGSMANAGEMENT,
ANMELDUNG, DOKUMENTATION ODER ABWEHR
VON MEHRKOSTEN

Von der Planungs- bis zur Fertigstellungsphase stehen wir Ihnen zur Seite. Egal ob es um Angebotskalkulation, Arbeitsvorbereitung, der Erstellung von Terminplänen, der Überwachung von Kosten oder der Aufstellung oder Abwehr von Nachträgen geht – wir sind Ihr Partner und entwickeln maßgeschneiderte Lösungen nach Ihrem individuellen Bedarf. 

Das Nachtrags- und Vertragsmanagement gehört zu unserer Kernkompetenz. Hier sind wir entweder auf Seiten des Auftraggebers oder des Auftragnehmers beratend oder produktiv in Ihrem Team tätig. Als erfahrene Projektmanager tragen wir dafür Sorge, dass Ihre Ziele erreicht und Risiken gebannt werden. 

Wir unterstützen Sie gerne bei der Vertragsgestaltung, bei Ihrem Schriftverkehr mit Vertragspartnern, bei wichtigen Besprechungen und allen sonstigen Aufgaben. Wir erkennen Abweichungen, Leistungsänderungen und erstellen die erforderlichen Mehrkostenanzeigen und prüffähigen Nachträge für den Auftragnehmer. 

Auf Seiten des Auftraggebers prüfen wir Abweichungen vom Bau-SOLL, bewerten entsprechende Nachträge und Mehrkostenforderungen und stellen die Einhaltung der Projektziele sicher.

Bei komplexen Bauvorhaben gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen zwischen den einzelnen Gewerken, die den Bauablauf für Störungen anfällig machen. Zugleich gibt es eine Vielzahl von möglichen Mengenänderungen, Bauentwurfsänderungen und Nachtragsleistungen, die vom Auftragnehmer prüffähig aufzustellen oder vom Auftraggeber qualifiziert zu prüfen sind.

Im Sinne eines fachkundigen, zielführenden und fairen Umgangs mit all diesen Themen bieten wir unsere Dienste an.

Fragen Sie uns an!

Nachtragsursachen

Zu den beiden häufigsten Quellen von unvorhergesehenen Kostensteigerungen und Nachtragsforderungen gehört der Baugrund mit all seinen «versteckten» Überraschungen und Einflussfaktoren (wie Grund- und Hangwasser, Findlingen, Bodenschichten etc.), die selbst bei engmaschigen Sondierungsbohrungen nicht immer vollständig erfasst werden, sowie die immanente Erwartungshaltung des Unternehmers bezüglich des ideal-effizienten Einsatz seiner Ressourcen, die bei jeder Abweichung vom Optimum zu horrenden Mehrkostenforderungen führen kann – im Rahmen der sogenannten Bauablaufstörung.

Wie Sie diesen Risiken und Streitfällen durch vorausschauende Vertragsgestaltung effektiv entgegenwirken, zeigen wir Ihnen gerne auf. Vereinbaren Sie mit uns einen persönlichen Gesprächstermin.   

Beispiel Baugrundrisiko

Die Relevanz einer kritischen Analyse der Vertragsinhalte wird u.a. am Thema Baugrund deutlich: Bislang konnte der Auftragnehmer davon ausgehen, dass der Bauherr bzw. Auftraggeber grundsätzlich das Baugrundrisiko trägt. «Baugrund ist Bauherrenrisiko», lautet der einschlägig bekannte Spruch. Entsprechend hat der BGH festgestellt: Sollten der Ausschreibung der Bauleistungen Baugrundgutachten beiliegen, dann werden deren Inhalte regelmäßig zum Bestandteil des Vertrages. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Inhalte der Baugrundgutachten für die Leistung des Auftragnehmers und damit für die Kalkulation der Leistung erheblich sind.  

Das OLG München hat demgegenüber festgestellt, dass auch der Auftragnehmer das Baugrundrisiko übernehmen kann. Aber nur dann, wenn der Auftragnehmer bei einer offenkundig und eindeutig unklaren Situation über die Verhältnisse im Boden einen Einheitspreis für alle Bodenarten vereinbart, dessen Angebot somit auch den denkbaren Worst Case preisbildend berücksichtigt. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass letztlich alles von der konkreten Formulierung im Bauvertrag abhängt und keine Gewohnheitsrechte abgeleitet werden können.

Beispiel Gestörter Bauablauf

Um einen Anspruch auf Mehrkosten aus einem gestörten Bauablauf geltend zu machen, muss vom Anspruchsteller umfassend kausal dargelegt werden, wer die Störungen verursacht hat und welche Folgen sich jeweils aus diesen Störungen in tatsächlicher Hinsicht für den IST-Bauablauf ergeben haben. Dies verlangt die nunmehr ständige Rechtsprechung spätestens seit der BGH-Entscheidung vom 24.02.2005 (VII ZR 141/03) in Deutschland und formuliert somit relativ deutlich ihre hohen formalistischen Anforderungen an die betroffenen Forderungssteller.

Gleichermaßen stehen wir Ihnen bei der erfolgreichen Aufstellung Ihrer Ansprüche und Mehrkosten oder eben der Abwehr von Forderungen zur Seite, die gegen Sie erhoben werden. Nur mit einer dezidierten Prüfung der Inhalte und Darstellungen eines Anspruchstellers kann es gelingen, unberechtigte Forderungen abzuweisen bzw. auf ein angemessenes Maß zu kürzen. Angriffspunkte können hierbei z.B. die unzureichende Berücksichtigung von Störungsfaktoren aus der Risikosphäre des Anspruchstellers sein, eine fehlende oder unzulängliche Berücksichtigung des IST-Ablaufes oder eine nicht störungsscharfe Auswertung der Störungsfolgen.

Der vollständige Kausalitätsnachweis muss die Versäumnisse aller Projektbeteiligten berücksichtigen und sich am konkreten IST-Ablauf orientieren.

In der Schweiz dagegen hat es interessanterweise bis 2016 nie ein Streitfall mit einer «Bauablaufstörung» vor die höchste rechtsprechende Instanz, dem Bundesgericht in Lausanne, geschafft, so dass in dieser Frage bis vor wenigen Jahren noch einige rechtliche Unsicherheit herrschte und auch bis heute in der Form und Stichhaltigkeit der formalen «Beweisführung» einiger Raum für Interpretation und offene Fragen besteht. 

Nachweis der Bauablaufstörung - Situation in der Schweiz

Wer haftet, wenn im Rahmen der Baurealisierung bei der Ausführungsplanung durch Architekten und Fachplaner oder bei benötigten Freigaben durch Vertreter des Bauherrn Verspätungen eintreten, der Baufortschritt ins Stocken gerät und die weiteren Planungs- und insbesondere Bauarbeiten gar nicht oder nicht zeitgerecht erfolgen können? Bauablaufstörungen oder zwischenzeitliche Baustopps können massive wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. 

Hierfür verantwortliche Planer haben mit Haftungsfolgen zu rechnen, vor allem mit Honorarkürzungen und/oder Schadenersatzfolgen, soweit sie ihren Vertrag nicht nach den Regeln ihrer Berufskunst erfüllt haben. 

Wie aber steht es um die betroffenen Unternehmer, welche ja keine Verträge mit den fehlbaren Planern geschlossen haben, dafür aber im Werkvertragsverhältnis zum Bauherrn stehend von letzterem schadlos gehalten werden wollen? 

Zunächst ist festzuhalten, dass die Handlungen oder Unterlassungen der vom Bauherrn beauftragten Planer dem Bauherrn anzurechnen sind. Die Planer gelten gegenüber den Unternehmern, anders als Nebenunternehmer, als Hilfspersonen des Bauherrn. 

Soweit Planlieferungen an die Bauunternehmer mangelhaft und verspätet erfolgen oder falls die einzelnen Unternehmer und Lieferanten nicht fach- und zeitgerecht durch die Bauleitung koordiniert werden, liegt im Verhältnis zwischen Bauherrn und Unternehmer eine Mitwirkungsverletzung seitens des Bauherrn vor. 

Für solche Bauablaufstörungen hat das Schweizer Bundesgericht in einem lange erwarteten «Leading Case» (4A_507/2015, Urteil vom 19.02.2016) entschieden, dass dem betroffenen Fest- bzw. Pauschalpreisunternehmer – nebst angemessenem Fristerstreckungsanspruch für die Baufertigstellung (und gegebenenfalls einem Vertragsauflösungsrecht) – ein Anspruch auf Mehrvergütung zukommt, sofern ein Mehraufwand resultiert. Im Falle schuldhaften Verhaltens droht unter Umständen auch Schadenersatz. 

Solche Konstellationen mit Mehrvergütungsfolgen zulasten des Bauherrn ergeben sich typischerweise bei verspäteter Zurverfügungstellung des Baugrunds bzw. des Bauobjekts, Nichteinhaltung des Terminprogramms, verspäteter Planlieferung und bei unzureichender Koordination der Planer oder Nebenunternehmer. 

Der Mehraufwand des Unternehmers bei Bauablaufstörungen widerspiegelt sich beispielsweise nicht zuletzt aufgrund Verlängerung der Bauzeit in: 

Längerem Vorhalten von Arbeitsgeräten und Baustellen-Einrichtungen

Personal- und Materialmehrkosten (Verzögerungsaufwand, erhöhte Beschaffungskosten)

Zusätzliche bauliche Massnahmen

Behebung von Schäden am Bauwerk

Produktivitätseinbussen (Behinderungsmehraufwand, Umdisponierungen)

Beschleunigungsmassnahmen (Zusatzpersonal um Terminziele zu halten)

Wie der vergütungspflichtige Mehraufwand (inklusive einer gegenzurechnenden Kostenminderungsobliegenheit) konkret zu berechnen und zu belegen und nach welchen Kriterien die Nachtragsforderung zu ermitteln ist, sind schwierige, teils ungeklärte Rechtsfragen. 

Soweit die Parteien nichts dazu vereinbart haben, was meistens der Fall ist, ist zu entscheiden, ob vom konkreten Mehraufwand zuzüglich eines Zuschlags für Risiko und Gewinn auszugehen ist (was der Regelfall sein dürfte) oder ob alternativ nach Vergleichspreisen im Sinne einer «Preisfortschreibung» nach Massgabe des abgeschlossenen Werkvertrags vorzugehen ist. Letztere Preisanknüpfung findet sich dem Grundsatz nach in der SIA-Norm 118. 

Klar ist jedenfalls, dass Bauablaufstörungen dazu geeignet sind, das ursprünglich vereinbarte Preisregulativ für die Erstellung des Bauvorhabens in fundamentaler Weise zu verdrängen, was nicht nur Streit und Gerichtsprozesse auslösen, sondern auch Renditen und den Erfolg eines Bauprojekts gefährden kann. Der Bauherr, und unter Haftungsaspekten auch die verantwortlichen Planer, riskieren damit plötzlich, Forderungen in Höhe des verursachten tatsächlichen (Mehr-)Aufwands tragen zu müssen, was ja mit der Vertragsgestaltung gerade verhindert werden soll. 

Prävention

Die Antwort darauf, wie Baustörungen und bedrohliche Mehrvergütungsfolgen für den Bauherrn bzw. Haftungsrisiken der Planer vermeidbar sind, ist an sich simpel: Erforderlich sind neben möglichst klaren Spielregeln (z.B. Planlieferprogramme, Reglemente für Qualität und Struktur der Planungsdokumente, Angaben zum jeweiligen Zeitbedarf und das Freigaberegime) eine vertrauensvolle Kooperation und offene Kommunikation zwischen Bauherrschaft und Planern bzw. Bauleitern, dazu Fachkenntnis, ausreichend Manpower und Engagement seitens der mit der Ausführungsplanung und Bauleitung beauftragten Parteien. 

Im Einzelfall ist der Beizug eines Bauherrenberaters und Bautreuhänders angezeigt, der die Bauherrschaft berät und die Baubeteiligten in dieser Hinsicht begleitet und überwacht. 

Mit unserer langjährigen Erfahrung im Nachtragswesen unterstützen wir Sie gerne auf allen Ebenen dieser komplexen Materie. 

Nachweis der Bauablaufstörung - Situation in Deutschland

Vorgehensweise zum Nachweis von Bauablaufstörungen auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung (BauR 2017, 178)

In den letzten Jahren gab es in Deutschland zahlreiche wegweisende Urteile zu den Anforderungen an den Nachweis von Bauablaufstörungen. Der nachfolgende Beitrag stellt auf Grundlage der jeweiligen Einzelfallentscheidungen eine darauf aufbauende Vorgehensweise zum Störungsnachweis in insgesamt 10 Schritten dar:

Definition des terminlichen Bausolls für den ungestörten Bauablauf

Darlegung der Rahmenbedingungen für die ungestörte Leistungserbringung

Ein schlüssiger Sachvortrag erfordert zunächst die Darlegung der vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des aufzustellenden Bauablaufplans. Maßgeblich sind insbesondere Baubeginn und Fertigstellung, aber auch einzelne Zwischentermine und die sonstigen Umstände der Leistungserbringung.

Weitere Rahmenbedingungen für den zu planenden Bauablauf ergeben sich aus den sonstigen vertraglichen Regelungen, die ebenfalls vom AN einzuhalten sind. So werden in verschiedenen Ausschreibungen oft Rahmenarbeitszeiten vorgegeben, die vom AN nicht ohne Genehmigung überschritten werden dürfen. Allerdings kann ein Auftragnehmer im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit jederzeit kürzere Arbeitszeiten planen. Geschuldet bleibt die Werkleistung, nicht die Anwesenheit auf der Baustelle.

Notwendiger Sachvortrag zum ursprünglich geplanten Bauablauf

Auf Grundlage der vertraglichen Rahmenbedingungen plant der Auftragnehmer die Details der ungestörten Leistungserbringung. Diese Bauablaufplanung kann sowohl durch Übernahme eines vom Auftraggeber vorgegebenen Bauablaufplans als auch (in der Vorzugsvariante) durch Erstellung eines eigenen Urablaufplans erfolgen.

Dieser ursprüngliche Bauablaufplan muss aufzeigen, „dass die Bauzeit mit den von der Preiskalkulation umfassten Mitteln bei ungestörtem Bauablauf überhaupt hätte eingehalten werden können“.

Dieser Plan ist nicht nur die Grundlage für die Beurteilung der Auswirkungen von Bauablaufstörungen, sondern auch für die Plausibilitätsprüfung der vom AN geplanten Leistungserbringung sowie der dafür kalkulierten Ressourcen.

Eine nachvollziehbare Stördokumentation erfordert daher zunächst eine Darlegung zu der vom Auftragnehmer im ungestörten Bauablauf geplanten Ausführung. Dies umfasst zusätzlich zu den Ausführungsperioden der einzelnen Vorgänge (Anfang, Dauer, Ende) vor allem tägliche Arbeitszeiten, technologische bzw. kapazitative Beziehungen zwischen den Terminplan-Vorgängen und im Idealfall auch Angaben zur vorgesehenen Anzahl von Arbeitskräften pro Vorgang.

Sofern der Urablaufplan zu grob für den Störnachweis ist, kann eine nachträgliche, weitere Aufgliederung der ursprünglich vorgesehenen Vorgänge erforderlich sein. Dieser Aufgliederung steht analog zur nachträglichen Urkalkulation dann nichts entgegen, wenn dieser nachträglich erstellte Bauablauf tatsächlich auch den vom Auftragnehmer geplanten, ungestörten Bauablauf zeigt.

Maßgeblichkeit der tatsächlichen Planungen zum Bauablauf

Analog der BGH-Rechtsprechung zur Kalkulation sollte der Auftraggeber einen Bauablaufplan nicht deshalb zurückweisen, weil dieser seinen Vorstellungen nicht entspricht, sofern es zu Inhalt und Struktur des Bauablaufplans keine ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen gibt und der Auftragnehmer seine Leistungen auch tatsächlich nach diesem Bauablaufplan vorbereitet und begonnen hat.

Insofern kommt es auch nicht so sehr darauf an, ob ein Bauablaufplan ausdrücklich vereinbart wurde oder nicht. Allerdings können nach der abweichenden und nicht unumstrittenen Auffassung des OLG Brandenburg vom 02.12.2015 die Ansprüche aufgrund von Bauablaufstörungen ausgeschlossen sein, wenn die Grundlage für die Leistungserbringung auf der Baustelle nicht einvernehmlich vereinbart worden ist. 

Der Urablaufplan erfordert aber auch deswegen keine Bestätigung durch den AG, da es hier allein auf die Planung der vorgesehenen Leistungserbringung durch den AN im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit ankommt.

Wichtiger ist, dass der AN seinen Bauablauf tatsächlich nach diesen Unterlagen organisiert, der Bauablaufplan die vertraglichen Vorgaben einhält und der AN sich insofern innerhalb seiner Dispositionsfreiheit bewegt. 

Wenn aber ein vom AN zunächst eingereichter Bauablaufplan einvernehmlich mit dem AG geändert und so zur vertraglichen Grundlage der Leistungserbringung gemacht wurde, ist dieser einvernehmliche Vertragsterminplan maßgeblich. Davon unbenommen sind Störungen, die vor Vereinbarung des Vertragsterminplans eingetreten sind, auch wenn diese Störungen im Vertragsterminplan nicht mit dargestellt wurden.

Maßgeblichkeit der tatsächlichen Planungen zum Bauablauf

Die meisten Bauablaufpläne weisen einzukalkulierende Witterungsumstände für den ungestörten Bauablauf nicht explizit aus. Ohne entsprechenden Sachvortrag kann dann keine Prüfung erfolgen, in welchem Umfang eine Berücksichtigung dieser bei Angebotslegung einzukalkulierenden Witterungsumstände erfolgt ist.

Insofern ist darzulegen, welche Witterungsumstände im ungestörten Bauablauf zu berücksichtigen gewesen wären oder berücksichtigt worden sind. Diese Umstände beziehen sich dabei auf die konkrete Leistung und die Ausführungszeiten gemäß dem ursprünglichen Bauablaufplan.

Vorlage und Auswertung der Urkalkulation und der Nachtragskalkulationen

Zwingende Notwendigkeit einer Übergabe der Urkalkulation

Die Urkalkulation hat nicht nur als Fortschreibung der Preisermittlungsgrundlage, sondern auch für Entschädigungsansprüche (§ 642 BGB) oder Schadensersatz (§ 6 Abs. 6 VOB/B) erhebliche Relevanz für die Ermittlung der Anspruchshöhe aufgrund von Bauablaufstörungen, da eine plausible Urkalkulation auch die hypothetische Vermögenssituation des Anspruchstellers ohne den schädigenden Bauverzug bzw. die Grundlage für die Vergleichskostenberechnung aufzeigt.

Um Ansprüche aus einem «gestörten» Bauablauf überhaupt geltend machen zu können, ist daher zwingend die Übergabe der Urkalkulation erforderlich. Hierzu hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 21.11.2014 festgestellt:

„… Ohne eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Auftrags-/Urkalkulation bzw. einer plausiblen (Nach-) Kalkulation – ist ein geltend gemachter Mehrvergütungsanspruch bei Nachträgen i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B unschlüssig und die Klage als endgültig unbegründet (und nicht wie bei nur fehlender Prüfbarkeit als nicht fällig bzw. derzeit unbegründet) abzuweisen. Für einen Rückgriff auf den ortsüblichen Preis in Anlehnung an § 632 Abs. 2 BGB ist im Rahmen von §2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B kein Raum.“

Zur Darstellung der Preisermittlungsgrundlage ist gemäß Urteil des BGH vom 18.12.2008 aber auch eine nachträglich aufgestellte und eingereichte Kalkulation zulässig, wenn daraus die Vertragspreise widerspruchsfrei hervorgehen.

Anforderungen an die Urkalkulation

Prinzipiell kann der Auftraggeber eine Kalkulation nicht zurückweisen, nur weil sie seinen Vorstellungen nicht entspricht, es sei denn es existieren dazu ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen. So kann der AG zum Beispiel die Aufgliederung bestimmter Zuschläge ohne entsprechende Vorgaben im Vertrag nicht verlangen.

Allerdings ist eine entsprechende Aufgliederung der Urkalkulation insbesondere beim anstehenden Nachweis der Auswirkungen von Bauablaufstörungen für den Nachweis der Plausibilität der kalkulierten Ansätze zwingend erforderlich. Die übergebenen Unterlagen zu Urkalkulation sollten daher für jede Position die kalkulierten Lohnstunden sowie sämtliche Kostenansätze ausweisen, aus denen sich die angebotenen Einheitspreise zusammensetzen.

Wesentliche Grundlage der Kalkulation sind in diesem speziellen Zusammenhang die Umstände der Leistungserbringung. Daher sollten die im Zuge der Preisbildung vorgenommenen Überlegungen, Berechnungen und Annahmen im Zuge der Kalkulation auch explizit dokumentiert werden.

Kalkulation von Nachunternehmerleistungen

Die Urkalkulation enthält in der Regel keine weitere Aufgliederung der kalkulierten Kosten für Nachunternehmerleistungen. Dies ist zumindest dann unproblematisch, wenn aus diesen Kalkulationsansätzen keine Mehrkosten geltend gemacht werden.

Sobald allerdings Mehrkosten auch für Nachunternehmer geltend gemacht werden sollen, gelten dieselben Anforderungen an die Notwendigkeit einer Übergabe der Urkalkulation(en) der Nachunternehmer.

Alternativ kann auch von Seiten des Auftragnehmers eine Aufgliederung der Nachunternehmerleistungen erfolgen, damit die Anteile für die wesentlichen Hauptkostengruppen an den Kostenansätzen für Nachunternehmerleistungen in den einzelnen Positionen zumindest geschätzt werden können.

Vorlage der Nachtragskalkulationen

Neben der Urkalkulation sollten auch die Kalkulationen für die einzelnen bereits erhobenen Nachträge vorgelegt und ausgewertet werden, um darzustellen, dass etwaige Mehrkosten aus dem gestörten Bauablauf nicht bereits durch diese Nachträge gedeckt worden sind.

Nachweis der Plausibilität von Urkalkulation und Urablaufplan

Notwendiger Plausibilitätsnachweis

Grundlage jeder Störungsdokumentation ist der Plausibilitätsnachweis für den ursprünglichen Bauablaufplan und die kalkulierten Kosten der Ausführung. Das OLG Köln hat am 28.01.2014 entschieden, dass ein Auftragnehmer zwingend die Plausibilität des ursprünglichen Bauablaufplans nachweisen muss, um bei einer Überschreitung der geplanten Bauzeit überhaupt Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen zu können:

„Die Annahme des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Auftraggebers und der Überschreitung der geplanten Bauzeit setzt voraus, dass die Bauzeit mit den von der Preiskalkulation umfassten Mitteln bei ungestörtem Bauablauf überhaupt hätte eingehalten werden können. Trifft dies nicht zu, beruht eine etwaige Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit nicht auf einer in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers fallenden Ursache“.

Der Plausibilitätsnachweis erfolgt am besten durch Zuordnung der von „der Preiskalkulation umfassten Mittel“ zu den einzelnen Vorgängen des Urablaufplans.

Plausibilitätsnachweis auf Grundlage der kalkulierten Arbeitsstunden

Zentral für den Plausibilitätsnachweis sind die kalkulierten Arbeitsstunden, aber auch die kalkulierten Aufwendungen für Geräte und Nachunternehmerleistungen. Bauablaufplanung und Urkalkulation zeigen im Fall dieser Zuordnung, wie die vereinbarte Bauleistung kosten- und terminmäßig erbracht werden sollte.

Sofern ein Vorgang in Eigenleistung ausgeführt werden sollte, zeigen die sich aus den kalkulierten Arbeitsstunden und der ursprünglich geplanten Vorgangsdauer resultierenden Soll-Arbeitskräfte eines Vorgangs, ob die preisliche und zeitliche Kalkulation im ungestörten Bauablauf plausibel ist.

Plausibilität von Fremdleistungen

Wenn einzelnen Vorgängen keine oder nur sehr geringe Lohnstunden zugeordnet worden sind, ist zu untersuchen, ob die Arbeiten von Nachunternehmern erbracht werden sollten, für die eine Urkalkulation natürlich keine Lohnstunden ausweist.

Die Auskömmlichkeit der kalkulierten Aufwendungen ist damit zumindest dann nachzuweisen, wenn für Nachunternehmer Mehrkosten abgerechnet werden sollen. Ob die kalkulierten Nachunternehmerkosten ausreichen, um die geplanten Vorgangsdauern im ungestörten Bauablauf einhalten zu können, lässt sich auch hier über eine Zuordnung der Nachunternehmerkosten und eine Abschätzung des jeweiligen Lohnanteils prüfen.

Nachweis auskömmlicher Vorgangsdauern anhand des tatsächlich ungestörten Bauablaufs

Alternativ kann die Auskömmlichkeit der kalkulierten Aufwendungen im ungestörten Bauablauf auch anhand der (übereinstimmenden) tatsächlichen Vorgangsdauern nachgewiesen werden.

Sofern die einzelnen Vorgänge im tatsächlich ungestörten Bauablauf gegenüber der Urkalkulation jedoch nur mit erhöhtem Personalaufwand realisiert werden konnten, ist zwar der Plausibilitätsnachweis für die Vorgangsdauern erbracht, nicht aber für die kalkulierten Arbeitsstunden.

Darlegung des tatsächlichen Bauablaufs

Maßgeblich für den Störungsnachweis ist der tatsächliche Bauablauf

Nur in den seltensten Fällen werden die Leistungen auf der Baustelle exakt so ausgeführt, wie dies ursprünglich geplant worden war. Typische Ursachen für die Abweichungen des tatsächlichen Bauablaufs bis zum Störeintritt können sowohl übliche Schwankungen der Leistungserbringung, Neudispositionen durch den AN als auch sonstige nicht vom AG zu vertretenden Verzögerungen der Leistungen sein. Aber auch Störungen aus der Risikosphäre des Auftraggebers, für die der Auftragnehmer zum Störzeitpunkt bereits einen Ausgleich erhalten hat (oder hätte erhalten sollen), führen zu planmäßigen oder tatsächlichen Abweichungen vom ursprünglich geplanten, ungestörten Bauablauf.

Thode hat daher bereits 2004 sämtliche typischen Modelle des Störungsnachweises abgelehnt, die nicht auf dem tatsächlichen Bauablauf beruhen und gefordert:

„Zur Darlegung dieser anspruchsbegründenden Voraussetzungen ist es erforderlich, dass der tatsächliche und nicht der geplante oder kalkulierte Bauablauf bis zu der Behinderung und die Folgen der Behinderung anhand eines Vergleichs des hypothetischen ungestörten tatsächlichen Bauablaufs mit dem gestörten tatsächlichen Bauablauf verglichen werden. Der geplante Bauablauf ist nur dann eine geeignete Vergleichsgröße, wenn er dem tatsächlichen Bauablauf bis zu Behinderung entspricht.“

Herleitung des tatsächlichen Bauablaufs aus der Baustellendokumentation

Die Feststellung der tatsächlichen Ausführungszeiten der einzelnen Vorgänge erfolgt in der Regel auf Grundlage der baubegleitend geführten Bautagesberichte. Diese Eintragungen müssen in einen Bauablaufplan übernommen und grafisch dem ungestörten Bauablauf bzw. dem zuletzt geplanten, nach der letzten Störung ungestörten Bauablauf gegenübergestellt werden. Der AN sollte daher bei seiner baubegleitenden Baustellendokumentation eine klare Zuordnung der Einträge in den Bautagesberichten zu Vorgängen des Bauablaufplans ermöglichen und im Sachvortrag zum tatsächlichen Bauablauf erläutern.

Im Idealfall werden bereits bei der Erstellung der Bautagesberichte die jeweils arbeitstäglich erbrachten Leistungen nicht nur verbal beschrieben, sondern die konkreten Vorgangsnummern aus dem ursprünglichen Bauablaufplan in die betreffenden Bautagesberichte eingetragen.

Darlegung des zum Eintritt der Störung geplanten, im Weiteren ungestörten Soll-Bauablaufs

Das Bau-Ist zum Störzeitpunkt

Der Ist-Ablauf für die Gesamtmaßnahme ist die Grundlage zur Beurteilung des erreichten Leistungsstandes beim Eintritt einer konkreten Bauablaufstörung. Dieses zum Störzeitpunkt erreichte Bau-Ist bildet in Verbindung mit dem unmittelbar geplanten, weiteren Bauablauf die Vergleichsgrundlage für die Beurteilung der Auswirkung einer konkreten Störung.

Nur unter Zugriff auf den Ist-Ablaufplan kann der Auftragnehmer für jede einzelne Störung darlegen, wie der Bauablauf bis zum Zeitpunkt des Eintritts einer Störung tatsächlich realisiert wurde und wie die noch offene Restleistung zum Störzeitpunkt erbracht werden sollte.

Zur tatsächlichen Leistungserbringung gehören auch Nachtragsleistungen sowie eigenverursachte Bauablaufstörungen[19].

Maßgeblichkeit der tatsächlichen Bauablaufplanungen

Maßgeblich für die Beurteilung der entsprechenden Bauablaufstörung sind die tatsächlichen Auswirkungen auf den vor Störeintritt geplanten Bauablauf. 

Thode hat 2004 darauf verwiesen, dass der ursprünglich geplante Bauablauf nur in Ausnahmefällen eine geeignete Vergleichsgröße ist:

Auf den ursprünglich, also bei Angebotslegung oder Auftragserteilung geplanten Bauablauf kommt es damit in der Regel nicht an, sofern zwischen Baubeginn und Störeintritt bereits Abweichungen zur ursprünglich geplanten Leistungserbringung eingetreten sind.

Gerade dann, wenn vom Auftragnehmer während der Leistungserbringung interne (gegenüber der Kalkulation geänderte) Bauablaufpläne aufgestellt worden sind, können diese tatsächlichen Einsatzplanungen für die weitere Leistungserbringung als Vergleichsgrundlage für die Beurteilung der Auswirkungen von Baustörungen herangezogen werden.

Erfolgt keine Betrachtung des tatsächlich bei Störbeginn geplanten Bauablaufs, können die Auswirkungen einer konkreten Störung nicht beurteilt werden und der Sachvortrag wird unschlüssig.

Vergleichsgrundlage für den konkreten Soll-Ist-Vergleich

Der Sollablauf bei Störeintritt muss damit für die Vergangenheit die tatsächliche Leistungserbringung, für die Zukunft aber den zu diesem Zeitpunkt geplanten, weiteren Bauablauf enthalten. 

Dieser Sollplan ist die Grundlage für die bauablaufbezogenen Darstellungen einer konkreten Bauablaufstörung und zwingend für die Schlüssigkeit des Sachvortrages erforderlich.

Die Solldauern und Anordnungsbeziehungen der noch nicht erbrachten Vorgänge der Teilleistungen in diesem Soll-Bauablaufplan richten sich dabei in der Regel nach den letzten Planungen zum Bauablauf. Ohne Begründung kann der Auftragnehmer hier keine zeitlichen Zuschläge gegenüber dem Urablaufplan beanspruchen.

Nur wenn tatsächlich eine Verschiebung in ungünstigere Jahreszeiten oder eine sonstige kausale Abhängigkeit von Störungsfolgen auf die kalkulierten Leistungen (Restleistungen) eingetreten ist, kann ein Zuschlag auf die ursprünglich geplante Restausführungszeit gewährt werden.

Dieser auf dem Ist-Ablauf bis zum Störzeitpunkt aufbauende Sollablaufplan für die Restleistungen ist die Grundlage für Differenzbetrachtungen (z.B. Verzögerungen) zwischen dem «gestörten» und dem zuletzt tatsächlich geplanten Bauablauf (nicht zwingend gleichzusetzen mit dem ursprünglich kalkulierten Bauablauf).

Leistungsbereitschaft und vertragsgerechte Bautechnologie

Leistungsbereitschaft als zwingende Anspruchsvoraussetzung

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen Anspruch nach der häufigsten Anspruchsgrundlage des § 642 BGB ist die Leistungsbereitschaft des ANs. Zwar kann die Leistung auch durch das Vorhalten entsprechender Ressourcen auf der Baustelle angeboten werden, der Auftragnehmer sollte seine Leistungen jedoch immer auch explizit und formell in der schriftlichen Behinderungsanzeige anbieten – und zwar unabhängig von der Anspruchsgrundlage. Dem Auftragnehmer fällt es ansonsten evtl. schwer, seine stets vorhanden gewesene Leistungsbereitschaft im Rahmen seiner sekundären Beweislast nachzuweisen.

Wichtig ist auch, dass der Auftragnehmer keine eigenen Verzögerungen verursacht hat bzw. diese Verzögerungen sauber und nachvollziehbar abgrenzt.

Keine Behinderung bei nicht vertragsgerechter Technologie

Nach dem Urteil des Kammergerichts vom 29.04.2008 kann ein Auftragnehmer Behinderungen nur dann geltend machen, wenn er seine Leistung auf Grundlage des abgeschlossenen Werkvertrages und der darin vorgesehenen Technologie ausführt.

Das OLG Frankfurt hat am 28.10.2015 bestätigt, dass für den Fall, dass der AN eine nicht dem Vertrag entsprechende Leistung anbietet, die vom Auftraggeber nicht angenommen wird, die Voraussetzungen des Annahmeverzugs gemäß § 642 BGB nicht vorliegen. Im entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber den Baubeginn zu einer vom AN mit einer nicht vertragsgerechten und genehmigten Technologie geplanten Rohrsanierung verweigert. Obwohl der Auftragnehmer die Arbeiten beginnen wollte und wegen der Verweigerung des Zutritts zur Baustelle nicht beginnen konnte, resultieren aufgrund dieser nicht vertragsgerecht geplanten Ausführung keine Ansprüche.

Keine Behinderungen aufgrund offensichtlicher Planungsfehler

Auch für den Fall, dass Erschwernisse bereits bei Angebotslegung erkennbar waren, können keine Behinderungen zulasten des AG geltend gemacht werden. Allerdings muss ein Bieter bei seiner Kalkulation nicht damit rechnen, dass die angefragte Leistungsbeschreibung unrichtig ist. 

Andererseits, sollte sich einem durchschnittlichen Bieter die „Mangelhaftigkeit der Leistungsbeschreibung [..] geradezu aufdrängen“, erfolgt hinsichtlich der Folgen der Planungsfehler bei verletzter Hinweispflicht eine Vertragsauslegung zu Gunsten des Auftraggebers.

Behinderungsanzeige bei Eintritt der Störung

Schriftformerfordernis

Sowohl in Fällen des § 6 Abs. 6 VOB/B als auch § 642 BGB ist eine unverzügliche, schriftliche, an den Auftraggeber gerichtete Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B zwingend erforderlich. 

Die Behinderungsanzeige ist bei verzögerter oder verzögernder Mitwirkung des Auftraggebers zudem Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes Leistungsangebot des Schuldners der Bauleistung.

Zudem sollte der Auftraggeber auch bei Leistungsänderungen über die zeitlichen und entgeltlichen Auswirkungen von Bauablaufstörungen informiert werden, und zwar explizit auch dann, wenn der Auftragnehmer (zunächst) vom Vorliegen eines Vergütungsanspruchs gemäß § 2 VOB/B ausgeht. So hat der BGH in einem älteren Urteil vom 21.12.1989 entschieden, dass es sich allgemein bei Nachtragsleistungen um Behinderungen handeln (kann), die eine Behinderungsanzeige erforderlich machen (können).

An den Wortlaut der Behinderungsanzeige dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr kommt es für die Wirksamkeit der Behinderungsanzeige darauf an, dass sich aus dem Inhalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts ergibt, dass der Auftragnehmer einen bestimmten Sachverhalt als Behinderung ansieht und eine Abhilfe erwartet.

In analoger Auslegung des Urteils des OLG Frankfurt vom 16.03.2015 ist die in § 6 Abs. 1 VOB/B geforderte Schriftform auch dann gewahrt, wenn ein Schreiben unterschrieben, eingescannt und per E-Mail versendet wird.

Inhalt der Behinderungsanzeige

Zur Betonung der Schutzfunktion einer Behinderungsanzeige sollte der AN rechtzeitig die erforderlichen Mitwirkungspflichten des Auftraggebers prüfen und den Auftraggeber noch vor Eintritt einer konkreten Behinderung an die konkreten Termine für ausstehende Entscheidungen, Unterlagen oder Vorleistungen erinnern. Damit wird dem AG Gelegenheit gegeben, steuernd auf seine Erfüllungsgehilfen einzuwirken. Die eigentliche Behinderungsanzeige stößt in diesem Fall nicht nur auf mehr Akzeptanz, sondern kann direkt auf den vorher angekündigten Soll-Termin Bezug nehmen.

Da die überwiegende Anzahl der Bauablaufstörungen auf § 642 BGB gestützt wird, sollte die Behinderungsanzeige immer ein konkretes Leistungsangebot beinhalten und den späteren Nachweis der Leistungsfähigkeit und des Leistungswillens des Auftragnehmers ermöglichen. Zwar obliegt dem AN nur die sekundäre Beweislast, der Auftraggeber ist aber im Rahmen des ihm obliegenden (Gegen-)Beweises auf einen entsprechenden Sachvortrag angewiesen.

Damit eine Behinderungsanzeige die Informations-, Warn- und Schutzfunktion erfüllen kann, kommt es folglich darauf an, dass dem Auftraggeber die hindernden Umstände in schriftlicher Form zugänglich gemacht werden. Die Anzeige sollte auch für technische Laien verständlich darlegen, welche Arbeiten wann ausgeführt werden sollten, aufgrund welcher Umstände die geplante Arbeit nicht ausgeführt werden kann und dass der Auftragnehmer leistungsbereit und leistungswillig ist.

Ausnahme Offenkundigkeit

Der Auftragnehmer sollte sich zudem nicht darauf verlassen, dass die hindernden Umstände offenkundig sind, da an den Ausnahmetatbestand der Offenkundigkeit hohe Anforderungen gestellt werden.

So liegt eine offenkundige Behinderung gem. Beschluss des BGH vom 25.06.2015

beispielsweise dann vor, wenn der Auftraggeber eine Umplanung wünscht. Diese Umplanung ist der Risikosphäre des Auftraggebers zuzuordnen und führt zu einer eindeutigen Verlängerung der Ausführungsfristen.

Auch bei erheblichen Mehrmengen gegenüber der ursprünglichen Ausschreibung, die die Grenze des § 2 Nr. 3 VOB/B deutlich überschreiten, kann von einer solchen Offenkundigkeit ausgegangen werden.

Behinderungsabmeldung und Dokumentation der Behinderungsauswirkungen

Keine zwingende Notwendigkeit einer Behinderungsabmeldung

Das Vorliegen einer Behinderungsabmeldung ist gemäß VOB/B und aktueller Rechtsprechung keine zwingende Voraussetzung für den Anspruchsnachweis im Fall von Bauablaufstörungen. Dennoch ist eine Behinderungsabmeldung für eine beweiskräftige Stördokumentation durchaus sinnvoll.

In diesem Schreiben sollten die konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die zuletzt geplanten Vorgänge im Bauablauf sowie die Auswirkungen auf folgende Leistungen dargestellt und erläutert werden.

Für den späteren Nachweis der Folgen einer konkreten Bauablaufstörung ist zudem eine Darstellung wichtig, warum die Arbeitskräfte nicht (oder nicht vollständig) anderweitig eingesetzt werden konnten bzw. warum die Behinderung nicht durch andere Maßnahmen im Rahmen der Schadensminderungspflicht verhindert oder zumindest eingeschränkt werden konnten.

Erleichterung der Nachweisführung durch eine Behinderungsabmeldung

In der Behinderungsabmeldung sollten nochmals die tatsächlichen und konkreten Auswirkungen der Störung auf den Bauablauf und möglichst auch die Kosten der Leistungserbringung dargestellt werden. Die Behinderungsabmeldung sollte unter Bezugnahme auf die Behinderungsanzeige die dort (für die Zukunft) dargestellten Behinderungsauswirkungen präzisieren und dokumentieren.

Eine besondere Erleichterung der spätere Nachweisführung ergibt sich dann, wenn mit der Abmeldung auch ein Bauablaufplan mit den konkreten Störauswirkungen übergeben wird, der die tatsächlichen Auswirkungen einer Störung im Vergleich zum zuletzt geplanten Bauablaufplan zeigt.

Insbesondere sollte mit einer Behinderungsabmeldung festgehalten werden, wann die angezeigte Behinderung beendet war, wie sich die bei Störeintritt angezeigte Behinderung tatsächlich ausgewirkt hat, welche Arbeiten statt der behinderten Leistung ausgeführt bzw. nicht ausgeführt werden konnten, wie sich die Störung auf den weiteren Bauablauf auswirkt und welche Einflussfaktoren zu Mehrkosten aus der konkreten Behinderung führen.

Bauablaufbezogene Darstellung tatsächlicher terminlicher Auswirkungen jeder einzelnen Störung

Notwendigkeit einer eigenständigen Beurteilung jeder einzelnen Störung

Der Unternehmer, der einen Anspruch wegen Bauzeitverzögerung geltend macht, muss für jede einzelne Störung nachvollziehbare, hinreichend detaillierte Angaben dazu zu machen, aufgrund welcher Verzögerung von Planungsunterlagen welche Arbeiten auf der Baustelle nicht ausgeführt werden konnten und wie sich dies auf die Baustelle ausgewirkt hat. 

Für diese Stördokumentation sind in der Regel bauablaufbezogene Darstellungen der Auswirkung der einzelnen Bauablaufstörungen unter Gegenüberstellung der IST- und der Soll-Abläufe unumgänglich. 

Zur Darstellung eines Verzögerungsschadens muss damit konkret dargetan werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt.

Der BGH fordert mit Urteil vom 24.02.2005 dabei eine getrennte Betrachtung jeder einzelnen Behinderung. Der vorletzte Satz des BGH-Urteils vom 24.02.2005 ist diesbezüglich eindeutig:

„Es ist zu berücksichtigen, dass jede einzelne Behinderung gesondert zu prüfen ist und einer eigenständigen Beurteilung unterliegt“.

Auch die neue Rechtsprechung der Obergerichte, zuletzt des OLG Brandenburg mit Urteil vom 18.02.2016, verlangt explizit, dass eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung „der jeweiligen Behinderungen“ – also jeder einzelnen Behinderung – „unter Gegenüberstellung der Ist- und der Soll-Abläufe“ – ebenfalls im Plural und damit ebenfalls für jede einzelne Behinderung zu erfolgen hat – und zwar explizit auch für Entschädigungsansprüche gemäß § 642 BGB

Vergleich des konkret gestörten Bauablaufs mit dem zuletzt geplanten Bauablauf

Eine bauablaufbezogene Darstellung erfordert zunächst die Darstellung des sogenannten Referenzzustandes. Dieser Referenzzustand entspricht bis zum Störzeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung. 

Nach dem Störzeitpunkt zeigt dieser Referenzplan jedoch die unmittelbar geplante, künftige Leistungserbringung auf Grundlage des bis dahin erreichten, tatsächlichen Leistungsstandes.

Der Statuszustand hingegen zeigt im Vergleich zum letzten Referenzplan die Auswirkungen der konkret betrachteten Bauablaufstörung. Auch dieser Plan enthält bis zum Eintritt der betreffenden Störung den tatsächlichen Bauablauf. Zusätzlich wird nun aber auch der aufgrund des konkret betrachteten Sachverhalts tatsächlich eingetretene Bauablauf bis zum Stichtag der Betrachtung dargestellt. Nach dem Stichtag wiederum enthält dieser Statusplan die zukünftig geplante Leistung.

Die Auswirkung einer konkreten Bauablaufstörung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem zuletzt geplanten Referenzzustand und dem aufgrund der konkreten Störung eingetretenen Statuszustand. Diese bauablaufbezogene Darstellung zeigt unabhängig von der Anspruchsgrundlage bzw. Anspruchshöhe, wie sich ein Sachverhalt tatsächlich ausgewirkt hat.

Ob dieser Sachverhalt dann auch zu Ansprüchen des Auftragnehmers führt, obliegt natürlich einer gesonderten Beurteilung.

Vergleich des konkret gestörten Bauablaufs mit dem zuletzt geplanten Bauablauf

Die Stördokumentation sollte auch darlegen, ob die Behinderungsauswirkungen zum Beispiel durch eine Umstellung von Bauabläufen oder die Inanspruchnahme von Pufferzeiten reduziert werden konnten oder warum dies nicht der Fall war.

Bei der Darstellung der einzelnen Störsachverhalte sind insbesondere auch selbst verursachte Bauablaufstörungen und bereits beauftragte Nachtragsleistungen zu berücksichtigen, da die Anspruchsermittlung ansonsten «unschlüssig» wäre. 

Für Nachtragsleistungen ist ein Vorbehalt hinsichtlich weiterer bauzeitabhängiger Auswirkungen und Mehrkosten sinnvoll, da ansonsten derartige Mehrkosten bei einer Vereinbarung über den Nachtragspreis ausgeschlossen sein könnten (eine abweichende Meinung vertritt hier beispielsweise das OLG München, demzufolge Nachtragsleistungen ohne Vorbehalt nicht generell von der Berücksichtigung
terminlicher und monetärer Auswirkungen ausgeschlossen sind, da es hierbei auf die Auslegung der Vereinbarung im Einzelfall ankommt.

Abzulehnende Methoden der Darstellung von Bauablaufstörungen

Bei der Anwendung der immer noch verbreiteten Soll-Methode erfolgt eine vermischte Einarbeitung verschiedenster Störursachen über die gesamte Bauzeit in einen einzelnen, störungsmodifizierten Bauablaufplan.

Diese Darstellungen entsprechen in der Regel weder dem tatsächlichen Bauablauf noch den tatsächlichen bauablaufbezogenen Auswirkungen einer Behinderung und sind daher nicht geeignet, die juristischen Anforderungen an den Nachweis von Bauablaufstörungen zu erfüllen. 

Auch durch das bloße Auflisten von Baustörungen werden die Anforderungen der Rechtsprechung nicht erfüllt. Ebenso wenig genügt es, nur die „Verzögerungen, Stillstandzeiten und Vorhaltekosten vorzutragen. Vielmehr muss konkret dargetan werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt“.

Konkrete Begründung und Ermittlung monetärer Ansprüche für jede einzelne Störung

Definition der Anspruchsgrundlage

In Abhängigkeit vom dargestellten Sachverhalt einer Bauablaufstörung ergibt sich die jeweilige, störungsspezifische Anspruchsgrundlage und das Verfahren zur korrekten Ermittlung der Anspruchshöhe. Eine Klageforderung ist nach Auffassung des OLG Hamm nur dann schlüssig und einer Beweisaufnahme zugänglich, wenn die Auswirkungen der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen (Störungen) deutlich voneinander getrennt dargelegt werden.

Im typischen gestörten Bauablauf treten neben eigenen Störungen des AN vor allem Vergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, Entschädigungsansprüche gemäß § 642 BGB und Schadensersatzansprüche gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B ein.

Für jedes einzelne Störereignis muss die Anspruchsgrundlage konkret festgestellt und begründet werden.

Die finanziellen Auswirkungen außergewöhnlicher Witterungseinflüsse auf den ansonsten ungestörten Bauablauf müssen mangels «Verschulden» von den Bauvertragspartnern jeweils selbst getragen werden. 

Witterungsbedingte Verlängerungen der Bauzeit begründen somit auch keinen Annahmeverzug des Auftraggebers. Der AG ist auch nicht dafür verantwortlich, dem AN ein für die Bauausführung auskömmliches Wetter zur Verfügung zu stellen.

 „Der Besteller kommt deshalb nicht in Annahmeverzug, wenn der Unternehmer aufgrund unvorhergesehener Witterungsverhältnisse vorübergehend nicht leistungsfähig ist“.

Ermittlung der Anspruchshöhe für die einzelnen Bauablaufstörungen

Gründe für Vergütungsansprüche aus § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 4 VOB/B ergeben sich aus der Wahrnehmung der freien, vertraglichen Leistungsbestimmungsrechte des Auftraggebers. 

Notwendig hierfür ist eine rechtsgeschäftliche Anordnung zur Bauzeitverlängerung auf Seiten des Auftraggebers. So darf der Auftraggeber auch nach Vertragsschluss noch Änderungen des Bauentwurfs oder nicht vereinbarte Leistungen, auf die der Betrieb des Auftragnehmers eingerichtet ist, einseitig anordnen. Eine ausdrückliche oder konkludente Anordnung des Auftraggebers i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B erfordert dabei immer eine rechtsgeschäftliche Erklärung des AG. 

Im Falle eines Vergütungsanspruches auf Grundlage von § 2 VOB/B erfolgt die Mehrkostenermittlung auf Basis der vorliegenden Vertragspreise. Die Bauzeit kann sich auch dadurch verlängern, dass unvorhergesehene Mehrmengen erbracht werden müssen. Die daraus resultierenden, bauzeitabhängigen Mehrkosten sind in einer etwaigen Nachtragsvereinbarung nach § 2 Nr. 3 VOB/B zu berücksichtigen.

Sofern dabei nicht zumindest ein wirksamer schriftlicher Vorbehalt erfolgt, sind weitere Ansprüche ausgeschlossen. Andererseits muss der Auftragnehmer die zu erwartenden Mengenabweichungen sowie Eventual- und Bedarfspositionen bis zur Erheblichkeitsschwelle von 10 % gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B in seinen Bauablaufplan einkalkulieren.

Ein Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB entsteht bei einem Annahmeverzug des Auftraggebers. 

Dazu gehört insbesondere die Verletzung der Mitwirkungspflicht – typischerweise durch die fehlende Bereitstellung von Vorleistungen oder Entscheidungen. Insoweit gehört zu der Mitwirkung des Auftraggebers auch die Zurverfügungstellung eines bearbeitungsreifen Bauobjektes als „Vorleistung“. Die Anspruchshöhe bestimmt sich nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung, jedoch prinzipiell ohne Wagnis und Gewinn. Entsprechend der Rechtsprechung des OLG Dresden sind Entschädigungsansprüche als Vergleich der hypothetischen Situation ohne Verzug mit der Leistung und der tatsächlichen Vermögenssituation infolge des Verzugs zu berechnen. 

Dabei wird die Höhe der Entschädigung wiederum signifikant von der Urkalkulation beeinflusst – da allein die plausible und als auskömmlich deklarierte Urkalkulation Aufschluss über die hypothetische Vermögenssituation des Anspruchstellers ohne den schädigenden Bauverzug gibt.

Hingegen ist ein Schadensersatzanspruch gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B entsprechend des Differenzverfahrens anhand der konkreten, störungsbedingten Veränderung der Vermögenslage zu ermitteln.

Notwendigkeit der Abgrenzung von bereits vergüteten Mehrkosten

In jedem Fall sind die Mehrkosten aus den einzelnen Bauablaufstörungen von den kalkulierten Aufwendungen in der Urkalkulation bzw. den einzelnen beauftragten oder geltend gemachten Nachtragsleistungen abzugrenzen.

Links:

http://heilfort.de/heilfort-vorgehensweise-nachweis-von-bauablaufstoerungen-aktuelle-rechtsprechung/

PDF:

https://arge-baurecht.com/fileadmin/user_upload/artikel/fachartikel/2017/05-2017/Vorgehensweise-zum-Nachweis-von-Bauablaufstrungen-auf-Grundlage-der-aktuellen-Rechtsprechung-2.pdf

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Heilfort, Dresden